- sibyllezion
Über Einfachheit im Reich Gottes.

ein gutes Erwachen
bitte enttäusche mich
amputiere meine Illusionen
zerbrich den goldenen Spiegel
bilderstürme mein geträumtes Ich
zerstöre meine Kreise
die sich um mich selber drehen
verschreibe mir eine starke Dosis Wirklichkeit
ich will mich wahr haben
(Bruder Andreas Knapp)
Meine lieben Freunde, liebe Frauen Gottes,
Heimatlos, gejagt, verachtet.
Staubige Straßen und kein Palast. Eingeladen zu Banketts, wo er gedemütigt wurde. Unscheinbar von Gestalt, so unscheinbar offenbar, dass er in Menschenmassen untergehen konnte und durch einen Bruderkuss identifiziert werden musste. Die Vermehrung von Brot und Fischen, statt eines Fünf-Gänge-Menus bei der Speisung der Fünftausend.
Alltagsbezogene Wunder- und nicht Überfluss, Glanz und Glorie. Öl und Mehl, die nicht ausgehen statt gefüllter Speisekammern. Brot und Fleisch von Raben gebracht statt das Emporschießen von Feigenbäumen, Datteln und Weinstöcken.
Wenn ich an Gott denke, und wenn ich an Jesus denke, dann sind beider Wunder-Wege nicht besonders pompös, prunkvoll noch angeberisch. Auch die biblischen Zeichen sind eher alltagsbezogen: "Dort wirst du den und den treffen, der das und das sagen wird". Sie sind punktgenau, sie liefern das, was das Gegenüber braucht, um weitergehen zu können. Die blutflüssige Frau wird geheilt- aber wir lesen nicht, dass Jesus auch ihr Auskommen sichert, ihre Zukunft finanziell absichert und die offensichtlich nicht von ihrem Mann vertretene Frau wieder einer gesicherten Existenz zuführt. Der Gelähmte am Teich Bethesda wird als einziger geheilt, und sieht sich mit dem Verlust seines Gewerbes konfrontiert. Er muss den Weg zurück in die Gesellschaft finden, muss sich selbst neu definieren- im Vertrauen auf Gott.
Es ist unser inniger Wunsch, dass Wiederherstellung und Vergebung durch Jesus damit verbunden ist, dass unsre Probleme verschwinden. Krampfhaft klammern sich daher so, so viele an den Wundern und Zeichen fest, die uns zur Verkündigung des kommenden Königreiches als Begleiterscheinung begegnen. In Wahrheit sind sie genau das- eine Begleiterscheinung eines bevollmächtigten Dienstes, von Männern, die so berauscht, so ergriffen waren davon, anstatt weltlichen Herrn oder sich selbst Gott zu dienen, dass dieser sie segnete und bestätigte. Außer ihm- hatten sie auch nichts mehr: Petrus gab sein Leben als Fischer auf, Paulus seinen wohlangesehenen Status als römischer Bürger und Pharisäer. Wanderprediger wurden sie, zogen mit häufig leeren Taschen von einer Gemeinde zur anderen, tauften, lehrten, litten, weinten. Und erwarteten sehnsüchtig ihren Messias zurück, der versprochen hat, dann zu kommen, wenn alle Wohnungen im Haus seines Vaters bereitet sind.
Und doch- man sagt, dass da, wo Paulus und Petrus vorbeigingen, das Licht des Herrn so stark war, dass die Kranken dorthin gelegt wurden, wo ihr Schatten auf sie fiel. Der Dämon, der durch die "Zauberkraft des Namen Jesu" verschwinden sollte- er verhöhnte die, die es versuchten und bekannte dennoch,dass "Paulus ihm bekannt sei". (Apg 19,14 ff).
Wie ist das möglich?
Wir als christliche Gemeinde, wir schlagen uns über diese Frage gegenseitig die Sandschippchen auf den Kopf. Ich glaube aber dennoch, dass es möglich ist dort, wo wir unser Leben tatsächlich nicht in den Dienst Gottes stellen, sondern es niederlegen, damit er mit uns machen kann, was er will. Irgendwo zwischen den extremen Positionen ist die Freude, die Gebetserhörung, die wundersame Vermehrung von finanziellen Mitteln in dem Rahmen, in dem wir sie brauchen. Irgendwo zwischen all den theologischen Grabenkämpfen senkt sich für wenige Augenblicke die Gemeinschaft, die gemeinsame Liebe zu Gott auf uns nieder, wenn wir uns treffen- im Gebet, in Gemeinschaft, in dem Ja! als Antwort auf die Frage: "Dir bedeutet unser himmlischer Vater viel, oder?"
Oft denke ich, dass wir in der Suche der menschlichen Weisheit und Schriftauslegung auf der einen Seite und der Zeichen-und Wundersucht auf der anderen an Jesus vorbeilaufen.
Weil wir ihn nicht erkennen, in der Einfachheit, in der Begegnung, im Lächeln unseres Gegenübers und dem sanften Druck auf der Schulter, wenn ein Geschwister in Hingabe für uns betet. Ich glaube, wir übersehen ihn- wie ihn auch damals viele übersehen haben- weil wir unbewusst nach dem goldenen Reiter suchen, während er der stille Mann ist, der so unscheinbar wirkt. Weil in der Einfachheit keine Kraft liegen kann, so denken wir. Weil im reduzierten Sein keine Glorie zu finden ist. Weil wir Kaviar wollen und nicht Fisch und Brot.
Vor kurzem hörte ich die Aussage, dass der Tempel Gottes ein Außenposten Edens gewesen sei- so wie die Bundeslade in früheren Zeiten. Ein Ort, an dem die Gegenwart Gottes verweilte, an dem Gott selbst verweilte.
Als Jesus durch seinen Kreuzestod den Tempel abriss und in drei Tagen durch seine Auferstehung wieder aufbaute, beendete er alle Institutionen, und schenkte uns den Heiligen Geist, machte uns zum Tempel Gottes. Zu einem Ort, an dem der Heilige Geist wohnt. Zu einem Außenposten Edens.
Oft denke ich, wenn uns das bewusst würde- wirklich bewusst- wieviel anders würden wir miteinander umgehen? Wenn wir im anderen die Gegenwart Gottes vermuten würden- statt auf seine bröckelnde Fassade zu blicken? Was für eine Wertschätzung, Achtung und Freude würde entstehen? Kann man denn Gottes Gegenwart nicht lieben?
Und wenn wir das sind, berufen dazu, die Tempel des Heiligen Geistes zu sein, wie sehr, wie wunderbar muss die Hoffnung sein, die von uns ausströmt?
Ich glaube, dass Paulus das begriffen hatte. Tun wir das auch? Freuen wir uns über das Geschenk seiner Gegenwart, das er uns gemacht hat? Sind wir bereit, Außenposten Edens in einer kalten Welt zu sein? Durch unsere Augen das Licht des Herrn, durch unsre Handlungen die Güte und Freude Gottes zu verschenken? Uns ihm ganz zu schenken? Welch ein Licht, welche Schönheit und Hoffnung für jene, die im Dunklen sind! Und was für eine Verheißung seiner wunderbaren Wiederkehr.
Christus in uns- was für eine Schönheit.
Seid gesegnet,
Sibylle/Zionstochter.