- sibyllezion
"Hätt ich dich heut erwartet, hätt ich Kuchen da" -von den klugen und törichten Jungfrauen

"Dann wird das Himmelreich gleichen zehn Jungfrauen, die ihre Lampen nahmen und gingen hinaus, dem Bräutigam entgegen. 2 Aber fünf von ihnen waren töricht und fünf waren klug. 3 Die törichten nahmen ihre Lampen, aber sie nahmen kein Öl mit. 4 Die klugen aber nahmen Öl mit in ihren Gefäßen, samt ihren Lampen. 5 Als nun der Bräutigam lange ausblieb, wurden sie alle schläfrig und schliefen ein. 6 Um Mitternacht aber erhob sich lautes Rufen: Siehe, der Bräutigam kommt! Geht hinaus, ihm entgegen! 7 Da standen diese Jungfrauen alle auf und machten ihre Lampen fertig. 8 Die törichten aber sprachen zu den klugen: Gebt uns von eurem Öl, denn unsre Lampen verlöschen. 9 Da antworteten die klugen und sprachen: Nein, sonst würde es für uns und euch nicht genug sein; geht aber zu den Händlern und kauft für euch selbst. 10 Und als sie hingingen zu kaufen, kam der Bräutigam; und die bereit waren, gingen mit ihm hinein zur Hochzeit, und die Tür wurde verschlossen. 11 Später kamen auch die andern Jungfrauen und sprachen: Herr, Herr, tu uns auf! 12 Er antwortete aber und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Ich kenne euch nicht. 13 Darum wachet! Denn ihr wisst weder Tag noch Stunde." (Mt 25, 1-13, Luther 2017)
Meine Lieben,
Sieben Tage.
So lange dauert die Hochzeitswoche im aramäischen Kulturkreis. Sie ist gespickt mit unzähligen feierlichen, rituellen Stationen, die Braut und Bräutigam getrennt voneinander begehen. Die eigentliche Hochzeit aber, die große Feier, wie wir sie erwarten, findet erst nach sieben Tagen statt. Eine lange Zeit für die Wartenden wird an diesem Tag beginnen.
Im Nahen Osten feiert man Hochzeiten in den Sommermonaten.
Es garantiert gutes Wetter und lange Nächte, in denen man feiern kann! Und so ist es auch im Gleichnis der klugen und törichten Jungfrauen:
Man richtet sich darauf ein, dass die Feierlichkeiten endlich, endlich beginnen. Die Hochzeitsgesellschaft versammelt sich am frühen Nachmittag und wartet auf die Ankunft, die niemand so genau voraussagen kann. Sie sitzen zusammen und erwarten. Und erwarten. Bis es Zeit wird, in der anbrechenden Dunkelheit die Lampen zu entzünden, die vorsorglich mitgebracht wurden.
Warum haben die Jungfrauen eigentlich Lampen dabei, und womit brennen sie?
Sie brennen mit Olivenöl, dem gepriesenen Allzweckmittel im Nahen Osten:
Es wird verwendet zur Hautpflege, Erfrischung, Zur Wundreinigung, für Essen, und natürlich als Salbölgrundlage. Doch auch für Lampenlicht wird es verwendet- es ist also das, was in keinem Haushalt fehlen darf. Es ist genug davon vorrätig- sollte man meinen. Und die eiserne Reserve wird nicht angetastet, weil man ohne es nicht auskommt. Es ist überall erhältlich, wie bei uns Zucker, Mehl, Brot. Nicht schwer zu besorgen, also- es ist irgendwie immer...verfügbar.
Die Lampen haben die Jungfrauen, um ihr Gesicht zu beleuchten und sich in der Dunkelheit zu erkennen zu geben. Die meisten Frauen im Nahen Osten tragen die Lampe direkt in Höhe ihres Gesichtes, damit auf sie nicht zurückfallen kann, dass sie sich nachts "herumtreiben" und ihrer Familie "Schande bereiten", und natürlich hält dies auch Belästiger fern, weil jeder gleich sehen würde, dass dieses Mädchen, "die Maria, die Rahel, die Selma, Tochter von..." genötigt wird.
Ohne Lampe jedoch wird es ...zwielicht und gefährlich für die Jungfrauen.
Kein Mädchen von Sitte und Ehre geht ohne sie des Abends aus dem Haus. Sie ist ihr Schutz in mehrfachem Sinne.
Warum müssen die Jungfrauen so lange, lange warten?
Nun, weil der Bräutigam sich mit seiner Braut dem ganzen Dorf zeigt, bevor er sie heimführt. Umringt von ausgelassenen, tanzenden Freunden voller Lebensfreude nehmen sie jeden Umweg mit und lassen sich nicht hetzen. Sie feiern! Sie werden in Häuser eingeladen zu einem Umtrunk! Sie bleiben länger als beabsichtigt an einem Ort und sind völlig ohne Zeitdruck. Oder, um es anders zu sagen: Das Brautpaar genießt den Tag in vollen Zügen, und diejenigen,die auf das große Mahl warten, müssen sich dann eben ein wenig gedulden. Auch sie werden schließlich am Ehrentisch sitzen und mitfeiern dürfen.
Jeder im Nahen Osten weiß, dass klare Zeitvorgaben bei solchen Heimführungen sehr, sehr schwierig sind, und so ist es weder überraschend noch ungewöhnlich, dass es spät wird, sehr spät, bis der Bräutigam schließlich an seinem Haus eintrifft und die Braut heimführt, sie sich offiziell zu eigen macht. Man kann jedoch davon ausgehen, dass er in bester, allerbester Laune dort ankommt.
Also:
Natürlich muss jedes Mädchen aus gutem Hause ihre Lampe brennend mit sich führen, um die dunklen Stunden gut und sicher ausharren zu können. Und das tun sie auch- alle. Alle diese Frauen sind eingeladen. Alle sind geschmückt und voller Vorfreude auf das Fest. Alle haben selbstverständlich ihre Lampe dabei. Alle kennen die Tradition, und alle wissen auch, dass es spät werden kann. Einige von ihnen jedoch scheinen darauf nicht vorbereitet zu sein.
Es erzeugt ein leichtes Stirnrunzeln, wenn man bedenkt, dass diese Frauen genau wussten, wie eine solche Hochzeit vonstatten geht. Olivenöl stand krügeweise in ihrem Zuhause herum, und Salbölflaschen, kleine Krüge waren in jedem Haushalt zu finden.
Es ist ein bisschen wie jene, die auf eine Wanderung gehen, aber dabei im Hochsommer das Wasser vergessen. Es ist vergleichbar mit jenen, die nach Irland fahren und keine Regensachen dabei haben. Gedankenlos. Kurzsichtig. Wenig umsichtig.
Man fragt sich automatisch: "Aber was hast du denn gedacht, was das hier wird? Dass mitten auf dem Gebirgskamm in Österreich ein Kiosk für dich sorgt? Dass es just jetzt, wo du in den Urlaub nach Irland fährst, es plötzlich nicht regnet?" und man schüttelt leicht ungläubig mit dem Kopf über soviel fehlende Voraussicht und Vorbereitung.
Wir alle kennen diese Situationen, die Kopfschütteln verursachen. Das Große haben wollen, aber im Kleinen nicht treu sein. Kopfüber in etwas hineinrauschen, ohne vorbereitet zu sein. Vor lauter Vorfreude den Kopf verlieren und die Hälfte vergessen.
Das Gleichnis von den klugen und törichten Jungfrauen ist eine Mahnung, darauf vorbereitet zu sein, dass wir nüchtern bleiben sollen. Hoffnungsfroh, aber nicht überstürzt. Denn es dauert lange, sagt Jesus, bis der Bräutigam kommt, und er lässt sich nicht hetzen. Sorge dafür, dass du die Wartezeit gut überstehen kannst.
Glaube, er ist nicht Instant, nicht coffee to go, sondern er wird mit Sorgfalt und über eine lange Strecke kultiviert.
Er ist kein Strohfeuer, das ausbrennt, wenn Gott mal wieder auf sich warten lässt.
Er kommt, der Bräutigam, er hat es ja versprochen. Und es geht auch nicht darum, dass wir des Wartens müde werden. Einschlafen- das passiert denen, die gut vorbereitet sind, ebenso wie denen, die es nicht sind. Enttäuschung, Leid, Glaubenskrisen- sie gehören zu dem Weg zwangsläufig dazu.
Nein, mit keinem Wort verlangt der Bräutigam, dass wir über jede Erschöpfungsgrenze hinweg wach bleiben, dass wir allzeit die Lampe nachfüllen, dass wir in permanenter Erwartung jedes andere Bedürfnis unterdrücken. Es geht darum, dass wir weise planen. Dass wir bereit sind, WENN er kommt. Es geht darum, nicht völlig ausgebrannt zu sein, nicht die Wartezeit zu unterschätzen. Und netterweise sagt er uns vorher schon, dass es lange dauern wird.
Noch etwas enthält das Gleichnis:
Hingabe und Glaube, unser Treibstoff, unsere Grundlage ist nicht ausleihbar.
Wir können nicht erwarten, dass ein anderer für uns glaubt, noch kann jemand anderes als wir selbst dafür Sorge tragen, dass wir genug haben, um auch noch dann Reserven zu aktivieren, wenn über lange Phasen des Schlafens und der Müdigkeit unser Licht zu erlöschen drohte. Wenn wir weise sind, dann nehmen wir von den Orten, an denen wir genug Öl hatten, immer ein wenig mehr mit, als wir glauben zu brauchen.
Ein bisschen Gott wird nicht reichen, und eine Lampe, die nicht einmal eine halbe Nacht übersteht, ohne zu erlöschen, hat einfach viel zu wenig Substanz. Wir können um viel bitten- aber nicht darum, dass uns ein anderer von seinem Glauben abgibt, von seiner Beziehung zu Christus. Wir können uns Hingabe nicht von jemand anderem holen, noch können wir kommandieren, dass er uns gefälligst etwas von der eigenen Salbung, der eigenen Verbundenheit in Christus abgibt. Das eigene Scheitern- aus Unvorbereitetsein, aus falscher Einschätzung heraus, aus persönlichen Unzulänglichkeiten heraus ist nichts, was ein dritter für uns regeln kann. Es ist nicht seine Aufgabe, und wir dürfen es nicht verlangen.
Das Ende des Gleichnisses ist offen.
Ich frage mich:
Hätten die fünf törichten Jungfrauen ihre Zeit nicht damit vergeudet, andere für ihr Versagen einzuspannen, sondern sofort gehandelt, wären sie noch hineingekommen?
Hätten sie den Herrn nicht kommandiert, die Türe zu öffnen, nachdem sie zu spät waren, sondern ihn um Vergebung gebeten, hätte er geöffnet?
Wären sie mit ihren erloschenen Lampen zu ihm gelaufen und hätten ihm eingestanden, dass sie sich verschätzt hatten, so ehrlos es auch war: Hätte er sie draußen stehen gelassen?
Im Nahen Osten ist ein "Nein" selten das Ende eines Gespräches. Es ist untypisch, dass ein Dialog so kurz ist.
Doch einer Sache müssen wir uns bewusst sein:
Der Bräutigam kommt, und wann, weiß keiner von uns. Irgendwann wird er die mitnehmen, die bereit sind, auf seinen Ruf hin zu kommen, und nicht die, die weglaufen, um noch schnell etwas in Ordnung zu bringen, was sie vordem versäumt haben, nicht die, die irgend etwas höher stellen als seinen Ruf.
Besser ist es, so vor ihn zu treten, wie wir sind- und uns seiner Gnade anzuvertrauen. Es wäre nicht das erste Mal, dass sich Öl dann wie von Wunderhand vermehrt. Doch rufen- wird er nur einmal.
Also mögen wir doch einfach vorbereitet sein, auch dann, wenn wir einschlafen und sein Ruf uns weckt. Denn seine Gegenwart, seine Präsenz, sein lebendiges Wasser und Brot- sind doch immer verfügbar.
Seid gesegnet.
Sibylle/Zionstochter
Quellen:
Die Bibel. Mt. 25, 1-13. Luther Übersetzung. Hier zitiert nach: www.bibleserver.com.
Kenneth E. Bailey (Hrsg): Jesus war kein Europäer. DieKultur des Nahen Ostens und die Lebenswelt der Evangelien, SCM Verlag 2018, S. 323-331.
Foto: Pixabay
Lobpreis: Graham Kendrick: Holy Overshadowing