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Hosianna-kreuzigt ihn! Über enttäuschte Erwartungen.

"Als am nächsten Tag die große Menge, die aufs Fest gekommen war, hörte, dass Jesus nach Jerusalem kommen werde, 13 nahmen sie Palmzweige und gingen hinaus ihm entgegen und schrien: Hosianna! Gelobt sei, der da kommt im Namen des Herrn, der König von Israel! 14 Jesus aber fand einen jungen Esel und setzte sich darauf, wie geschrieben steht: 15 »Fürchte dich nicht, du Tochter Zion! Siehe, dein König kommt und reitet auf einem Eselsfüllen.« 16 Das verstanden seine Jünger zuerst nicht; doch als Jesus verherrlicht war, da dachten sie daran, dass dies von ihm geschrieben stand und man so an ihm getan hatte. 17 Die Menge aber, die bei ihm war, als er Lazarus aus dem Grabe rief und von den Toten auferweckte, bezeugte die Tat. 18 Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan. 19 Die Pharisäer aber sprachen untereinander: Ihr seht, dass ihr nichts ausrichtet; siehe, alle Welt läuft ihm nach." (Johannes 12, 12 ff)
"Frieden lasse ich euch, meinen Frieden gebe ich euch. Nicht gebe ich euch, wie die Welt gibt. Euer Herz erschrecke nicht und fürchte sich nicht." (Johannes 14,27)
"Allerdings muss es auch zu Spaltungen unter euch kommen, denn nur so wird sichtbar, wer sich im Glauben bewährt hat." (1.Korinther 11,19)
Meine lieben Freunde, liebe Frauen Gottes,
"Darum ging ihm auch die Menge entgegen, weil sie hörte, er habe dieses Zeichen getan."
Unsere Erwartungen und Hoffnungen sind immer geprägt von dem, was wir sehen, lesen und begreifen wollen. Wenn dann noch Zeichen geschehen, die unabstreitbar real sind, dann wähnen wir uns sehend.
Jesus hatte Lazarus zum Leben auferweckt, und mit dieser Totenauferstehung ging etwas einher, was für alle offensichtlich war:
Blinde sahen, Lahme gingen, von Dämonen gebundene wurden freigesetzt, und nun erstanden auch die Toten auf. Er war der Messias, das begriff spätestens jetzt jeder, der die Prophetien über den Knecht Gottes kannte, und Jubel brach aus. Jubel, helle Freude, denn das konnte nur eines bedeuten: Das Friedensreich, auf das alle warteten, war gekommen! Endlich würde die Knechtschaft vorbei sein, der König Israels, der ewige Spross Davids ritt bereits nach Jerusalem, und sicher, ganz sicher würde es nur noch wenige Tage dauern, bis er seine Herrschaft antrat!
Sie waren voller Freude, voller Hoffnung, voller für sie folgerichtiger Schlussfolgerung.
Passierte das eine, würde auch das andere passieren! Das Problem war, dass sie aussparten, was sie nicht sehen wollten: Das Leiden des Knechtes für die Freiheit seines Volkes. Das Opfer, das ebenso angekündigt wurde, die blinden Augen und die verstockten Herzen, von denen nicht minder berichtet wurde.
Vielleicht, und wir können es ihnen wohl kaum verübeln, wollten sie es genauso wenig hören wie wir heute jene Prophezeiungen nicht hören wollen, die doch gesetzt sind: Verfolgung, Tod, Drangsal. Ein großer Abfall der Gemeinde. Not, die die Herzen betrübt. Leid. Dunkelheit.
Ich habe oft mit Leuten gesprochen, die gesagt haben, dass sie "ein positiveres Bild der Endzeit" vorziehen. "Ach, das wird schon so nicht kommen, und ach, was für ein Unsinn, dass Satan mich verführen könnte"...
zwischen den Zeilen der herrlichen Wiederkehr steht eine Menge darüber, dass unser Herz sich nicht erschüttern lassen soll, und dass es so kommen muss. Wie es damals zwischen den Zeilen stand, dass der Knecht Gottes der Welt Schuld auf sich laden und leiden musste, dass er verraten würde für 30 Silberlinge, dass er erhöht, getötet würde, und verherrlicht in alle Ewigkeit.
Ich weiß nicht so genau, wie oft ihr enttäuscht wart in eurem Leben, dass es ganz anders kam als ihr gedacht habt.
Wir denken, wir wissen wie sich die Geschichte weiterentwickelt, und in Gedanken schmeißen wir schon das große Fest, rufen den großen Sieg aus, wähnen uns am Ziel- und dann kommt alles anders, scheint alles zu scheitern, verstehen wir die Welt nicht mehr.
Wir sind schnell dabei, Lösungen haben zu wollen, und denken dabei sehr an unsre Bedürfnisse:
Unser Bedürfnis nach Geborgenheit, Frieden, Fülle, Schönheit, Liebe, ungestörtes Grasen auf saftigen Wiesen.
Doch Gottes Geschichte ist voller Gefahren und Ankündigungen, denen wir hoffen zu entkommen, irgendwie weggezwirbelt zu werden, weil ja der gute Gott sowas nie zulassen würde. Nun, es ist einfach so, dass ich diesem Gott nirgendwo begegne, der niemals Schwierigkeiten, Bedrängung und Not zuließe. Man muss schon in etwa die Hälfte der Bibel weglöschen, um zu diesem Ergebnis zu kommen.
Nein: Er mutet uns zu, dass wir nicht von der Welt genommen sind, sondern hierblieben, bewahrt vor dem Verlust und Schaden an unserer Seele, solange wir in ihm bleiben, aber keineswegs rund und vergnügt mit allen weltlichen Genüssen und Freuden ausgestattet in alle Ewigkeit. Gottes Ziel ist immer zuallererst unsere Heiligung- und dann, in dem Rahmen, in dem wir es brauchen, auch unsere weltlichen Bedürfnisse. Vor allen Dingen aber ist es ihm wichtig, dass wir ihn zuallererst suchen, in ihm die Quelle jener Liebe finden, die wir so verzweifelt in allem Geschaffenen als Spiegelbild seiner Herrlichkeit verehren.
Wenn wir über diese Bedürfnisbefriedigung nicht hinauswachsen, wenn wir nicht begreifen, dass das, was er uns schenkt, nicht unser "Recht" noch unser eigener "Verdienst oder Lohn" für unsere "eigene Gerechtigkeit" ist, dann fallen wir tief, wenn unsere Pläne sich zerschlagen, wenn uns Schicksalsschläge treffen und wenn Dinge anders werden, als wir sie uns ausgemalt haben.
Die Juden dachten damals, dass Jesus ihnen gehörte. Wenn der jüdische Messias aus dem Hause Davids nach Jerusalem kam, würde das jüdische Volk erhöht und alle heidnischen Völker versklavt werden als Strafe für das, was sie dem jüdischen Volk vordem angetan hatten. Das war es, was sie erwarteten- eine Honorierung ihrer Rechtschaffenheit, eine öffentliche Ehrung vor allen Völkern als Auserwählte Gottes.
Doch Jesu Geschichte war höher und viel weitreichender, großartiger als das, was sie da erwarteten:
Es war die Erlösung der Welt, das Besiegen und Annullieren aller Opfer, des alten Bundes, der Sünde. Er kam, um wiederherzustellen, die Sünde der Welt zu tragen und damit den Ankläger, den Satan, zu entmachten. Und er kam nicht nur für die Juden, sondern auch für die Heidenvölker, und somit für die allermeisten von uns.
Es ging um ein geistliches Königreich, nicht um ein weltliches. Es ging um einen Sündenerlass ohnesgleichen, um eine ewige Regentschaft, jedoch nicht um das Errichten der neuen, jüdischen Erde.
Wie groß müssen Verwirrung und Enttäuschung gewesen sein, als klar wurde, dass Jesus eben nicht die weltliche Herrschaft einklagte!
Da wartet man so sehr auf etwas, und dann...geschieht das Gegenteil! Alles, was man für sich und seine Familie bereits in Gedanken gekauft und aufgebaut hat- wieder zunichte! Es muss ein Gefühl gewesen sein wie ein verlorener Sechser im Lotto, weil der Lottoschein plötzlich ungültig ist.
Und so jubeln sie an Palmsonntag, und schreien "Kreuzige ihn!" nur wenige Tage später, zutiefst desillusioniert, wütend und um die eigenen Träume betrogen.
Ich habe das oft erlebt, dass Wege anders weitergingen als erwartet.
Ich habe oft erlebt, dass ich mich von heute auf morgen völlig neu aufstellen musste, und dass alte Sicherheiten wegbrachen. Ich habe erlebt, dass das, was mein Leben versprochen hatte, nicht eintraf. Und ich kenne den Zorn, der auf uns fällt, wenn wir uns darauf verlassen haben- und plötzlich erkennen müssen, dass es anders ist, dass wir nicht bekommen, was wir uns so sehr erhofft haben. Oder, besser gesagt: Dass wir noch nicht bekommen, was wir erhofften. Umso sicherer wir waren, desto mehr trifft es uns, wenn da ein Haken geschlagen wird, der uns auf Umwege bringt. Wenn Ereignisse uns scheinbar alles zu rauben scheinen, was wir brauchen, um schlichtweg zu existieren.
Wut auf Gott. "Kreuzige ihn!"
Die Menschenmenge fiel in ein solch tiefes Loch, dass sich Enthusiasmus in Hass verwandelte.
Wie passiert sowas?
Nun, es passiert dann, wenn wir selbstsüchtigen Wünschen aufgesessen sind. Wenn wir sauer sind, nicht das zu erhalten, was uns doch zusteht. Unseren eigenen Plänen.
Was die Menschenmenge damals nicht wusste, wissen wir heute:
So furchtbar das war, was mit Jesus geschah- so freudig, endgültig und glorreich war seine Wiederauferstehung.
Doch wir, wenn wir mit Leid, mit plötzlicher Dunkelheit konfrontiert sind, mit jenen Wendungen, die nur Gott allein versteht- wir können nicht weiter sehen. Doch was wir können, ist, uns zu erinnern, so wie Jesus seine Jünger erinnerte, als er sich ihnen auf dem Weg nach Emmaus anschloss:
"5 Und er sprach zu ihnen: O ihr Toren, zu trägen Herzens, all dem zu glauben, was die Propheten geredet haben! 26 Musste nicht der Christus dies erleiden und in seine Herrlichkeit eingehen? 27 Und er fing an bei Mose und allen Propheten und legte ihnen aus, was in allen Schriften von ihm gesagt war." (Lukas 24,27)
Wenn Dunkelheit kommt, müssen wir uns erinnern. An das, was Jesus uns zugesprochen hat. Beharren auf das, was über ihn geschrieben steht. Alles. Alles, und nicht nur das, was wir gerne hören wollen.
Denn er wird kommen. Und es wird glorreich. Und er hat uns versprochen, bei uns zu sein aller Tage.
Also: Mögen wir ihn nicht hassen für das, was (noch nicht) ist.
Mögen wir vertrauen und rückblickend sagen: "Da hat er geholfen, und das macht jetzt auch Sinn. Oh, hier hat er mich geheilt, und sieh mal, das habe ich damals geahnt und heute ist es eingetroffen. "
Finden wir seine Fingerabdrücke in unsren Geschichten, und denken wir an eines ganz fest: Prophetie bewahrheitet sich im Nachhinein. Nicht im Voraus. Prophetie passiert, wenn sie echt ist- sie wird vor unseren Augen konkret, real und lebendig. Und dann schauen wir mit staunenden Augen auf das Wirken eines allmächtigen Gottes, und auf welch verschlungenen Faden er akribisch wunderbares erschaffen hat.
Hosianna, Herr! Du, König, bist gekommen.
Und der Friedefürst, der Gesalbte hat seine Herrschaft aufgenommen, den Tempel in drei Tagen eingerissen und wieder aufgebaut. Wie er es gesagt hat. Und wie die Schriften es seit langem verkündeten.
Warum stand Johannes unter seinem Kreuz? Er wusste es. Er kannte die Schriften. Und so lag er so lange in seinen Armen, bis die Schriften sich erfüllten. Kein Wunder, dass Jesus ihn so sehr liebte.
Seid gesegnet,
Sibylle/Zionstochter.