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In seinen Wegen wandeln- Jesus erkennen. Einführung in die Studienreihe.




"Wir brauchen Jesus, wie wir Sauerstoff brauchen. Wie wir Wasser brauchen. Wie die Rebe den Weinstock braucht. Jesus ist nicht nur eine Figur für die Andacht. Er ist die fehlende Essenz unserer Existenz. Ob wir es wissen oder nicht, wir sind verzweifelt nach Jesus." 
(John Eldredge, Der ungezähmte Messias)

Jahrhunderte hochwertiger arabischer christlicher Literatur bleiben größtenteils unveröffentlicht und unbekannt. Alle diese Quellen - syrisch, hebräisch/aramäisch und arabisch - teilen die breitere Kultur des alten Nahen Ostens, und alle sind ethnisch näher an der semitischen Welt Jesu als die griechischen und lateinischen Kulturen des Westens. (Dr. Kenneth E. Bailey: "Jesus war kein Europäer"


 "Ihr wisst nicht, was ihr anbetet; wir aber wissen, was wir anbeten; denn das Heil kommt von den Juden." (Johannes 4,22)

"Ihn habt ihr nicht gesehen und habt ihn doch lieb; und nun glaubt ihr an ihn, obwohl ihr ihn nicht seht; ihr werdet euch aber freuen mit unaussprechlicher und herrlicher Freude,
9 wenn ihr das Ziel eures Glaubens erlangt, nämlich der Seelen Seligkeit." (1.Petrus 1,8-9)




Meine lieben Freunde, liebe wunderbare Frauen Gottes,


wer ist Jesus? Wie verhält er sich- und zu wem spricht er? Wie ist die Kultur, in der er handelt, was sind die Merkmale der Gesellschaft, in die er spricht?


Vor ein paar Jahren begann ich innerlich zu ringen.


Wir können schon völlig konfus enden, wenn es um Jesus geht. Es hat sich so derart viel über Jesus gelagert, dass es ist, als wollte man ein archäologisches Relikt ausgraben, wenn man ihn wirklich begreifen, ihn wirklich kennen will. Der wahre Jesus- ganze Gemeindelandschaften schlagen sich gegenseitig die Köpfe ein, wenn es darum geht, wer er ist. Manchmal erhalten wir einen Blick auf ihn, in völliger Sprachlosigkeit, in völliger Übereinstimmung: Es geschieht in Zeugnissen, dann, wenn Menschen ihre persönliche Geschichte mit Jesus teilen. Wie er geholfen hat. Wie Dinge zur rechten Zeit an den rechten Ort fielen. Wir merken instinktiv, wo er es nicht ist, der gehandelt hat- in der Art der Verurteilung, in Widersprüchen zu seiner Persönlichkeit. Und doch...es ist, als würden wir Jesus wahrnehmen wie durch ein Aquarell, mit verschwommenen Konturen.

Hinzu kommen all die mittelalterlichen, esoterischen, weichgespülten Sonntagsgottesdienst-Bilder von ihm, milde lächelnd, pathetisch, irgendwie- zu süß, um ihm zu folgen.

Wie eine Engelputte mit dickem Bauch und kleinen Flügeln. Nein, Amor wollen wir nicht folgen, wir sind Christen.

Die Unsicherheit im Rahmen der Deutung seiner Persönlichkeit- sie ist groß, und es wird verstärkt durch die persönliche Beziehung, die wir zu ihm haben (sollten). Wir alle haben Jesus erlebt. Wir haben die Gnade erlebt und die Korrektur, wir haben erlebt, wie sich unsere Erwartungen an ihn erfüllten- und wie wir uns irrten. Wir haben ein inneres Bild von Jesus, das uns heilig ist und das da, wo es in Frage gestellt wird, dazu führt, dass wir fallen- tief und hoffnungslos. Wir hüten es, es ist das wertvollste, das wir haben.

Es ist unser Schatz, unser innerer Reichtum, verwoben mit unserem ureigenen Weg, den uns niemand absprechen kann noch jemals sollte.

Irgendwann bat ich Jesus händeringend um Wahrheit.

Überflutet von Memes, Sprüchen, weichgespültem Lobpreis, westlichen, weißen, elitären Jesusbildern, Härte, Verurteilung, Gesetzlichkeit entrang sich mir ein zutiefst verzweifelter Ruf: "Herr, ich will DIR folgen. Ich will DICH kennen. Ich will DICH verstehen, und keiner Religion folgen. Du bist meine Rettung, dir will ich ähnlich sein- aber keiner weichgespülten Version von dir, keiner falsch interpretierten, und mir fehlt Wissen,um zwischen den Zeilen deine Persönlichkeit zu sehen. Ich will dich klarer sehen!"


Mir fiel ein Buch in die Hände, ziemlich unmittelbar, von einem Autor, von dem ich noch nie gehört hatte. "Jesus war kein Europäer" prangte auf dem Cover, und für einen Moment hatte ich Angst, dass es wieder einmal eines dieser fanatischen, elitären, ausgrenzenden Bücher ist, die rechtfertigen, andere auszugrenzen. Aber...es war eine Perle, eine Gebetsantwort. Sprachwissenschaftler, Professor für Neues Testament, Gründer des Instituts für nahöstliche Bibelstudien, so die Randdaten, die Expertise des Autors. Es war teuer, es war nicht im Etat- und ich kaufte es sofort.


Was mir in die Hand fiel, war so kostbar, dass ich bis heute eine gewisse Ehrfurcht habe, wenn es darum geht, es aufzuschlagen. Bis heute spare ich mir die wenigen Lehrvideos des Professors auf, die es online gibt- denn er verstarb 2016 in hohem Alter, und wenn ich sie alle gesehen habe- dann versiegt diese Quelle der Jesusforschung. Sein Name ist Dr. Kenneth E. Bailey.


Ken E. Bailey lebte im Nahen Osten, in Ägypten, in Israel. Er lebte unter christlicher Verfolgung und lehrte das Neue Testament.

Er war umringt von einer nahöstlichen Kultur, er lehrte und lernte von arabischen Christen, von einem gänzlich anderen, aber Jesus so viel näher kommenden Kulturumfeld. Er studierte die Art, wie Gemeinschaft empfunden wird, wie Familienstrukturen funktionieren, wie zentral Gemeinschaft im Nahen Osten ist- wie stark Familienbande, wie stark die öffentliche Meinung zählen. Er studierte die Kultur der mündlichen Überlieferung, der Ehre und Schande-Kultur, die unserer richtig-falsch Kultur so sehr unähnlich ist. Er studierte die sozialen, die religiösen und gesellschaftlichen Gegebenheiten der Zeit, in der Jesus lebte, die natürlichen Reaktionen innerhalb der Kultur auf das, was er sagte- und eröffnete damit ein völlig neues Verständnis von Jesus, das ihn authentischer, klarer, in sich kongruenter machte als alles, was ich vorher als Annäherungen gelesen hatte. Jesus wurde mehr und mehr dreidimensional, seine Gleichnisse betteten sich ein in ein größeres, soziales Netzwerk. Jesus gewann Profil.

Das Bild fügte sich zusammen, wurde schärfer- und es deckte sich auf unglaubliche Weise mit einem Buch, das ich Jahre zuvor gelesen hatte ( John Eldredge: "Der ungezähmte Messias"), aber erweiterte es um Erklärungen und um die Welt der Beziehungen. Es bestätigte das, wie Gläubige in Zeugnissen über Jesus sprechen und machte ihn noch radikaler, noch liebenswerter, noch schlauer- und die Gesellschaft noch konfrontierender.


Um mit Jesus zu gehen, müssen wir wissen, wer er ist, wie er handelt, wie er als Persönlichkeit uns entgegentritt.

Verzweifelt versuchen wir, Lücken zu füllen- jeder von uns. Das, was wir nicht begreifen, füllen wir mit Mystik, Kampfführung, mit eigener Interpretation und teilweise recht wirren Phantasiereisen. Nicht selten landen wir am Ende doch wieder in den Armen des puttenhaften Heiligenbildchens, das wir uns zusammengebastelt haben: Arisch, blond, blauäugig- und irgendwie butterweich und irgendwie konturlos. In welchen Quellen suchen wir? Und sind wir noch bereit, mehr über ihn zu erfahren, statt nach mehr zu gieren?


Was ich auffällig fand, war dass Gleichnisse, die "wir lieber weglassen", weil sie keinen Sinn zu machen scheinen, uns der Sinn irgendwie verschlossen bleibt und wir sie lieber schnell überlesen ( "Der ungerechte Verwalter"; Lukas 16, 1-8 "Will Jesus, dass wir betrügen?"; "Die kanaanäische Frau", Mt 15, 21-28- "muss er sie so dissen?") unter Einbeziehung der Kultur und der Lebenswelt plötzlich Sinn machen, und die vermeintliche Härte und Interpretation der Erkenntnis weichen, dass Jesus immer beides tat- das Einzelgespräch und die Zuwendung an den Hilfesuchenden anbieten- und gleichzeitig eine Lektion an seine Zuhörerschaft auf dem Judentum erteilen, die es in sich hatte.


Wir studieren alles mögliche.

Christentum ist alles mögliche geworden- von einem Selbstheilungsweg zu totalitärem Kriegsgeschrei, ein Moralkodex, eine mystische Selbsterfahrung, eine bessere Version des positiven Denkens, eine Rechtfertigung für fehlende Selbstentwicklung und ein Machtmittel der Unterdrückung, eine Rechtfertigung der reaktionären, rechtsradikalen Ansichten und eigener Abneigungen.

Ich finde es auffällig, erschreckend und sehr bedenklich, wie wir uns an unseren Jesusbildern festklammern, und auf wie wenig Interesse die Person Jesus Christus, sein Charakter, seine Wege der Kontaktaufnahme, seine Werte, seine Worte stoßen. In fast allen Predigten höre ich von Paulus. "Paulus sagt. Paulus macht, Paulus hat uns befohlen". Doch Paulus...er selbst sagte immer wieder, dass er fehlerhaft sei. Dass er nur auf Christus hinweist. Jesus- er bleibt reduziert. Auf sein Opfer, seine Auferstehung, seine Himmelfahrt. Auf das, was er für uns tat. Aber wer war und ist er? Was ist ihm wichtig? Wie redet er, was konfrontiert er, und warum ist ihm das mit der Wertschätzung so wichtig? Wie stellt er sich zu Familienkonflikten, zu Egoismus, zu unserem Wünschen, zu Gemeinschaft? Was erzählt er über Vaterliebe, welche Verhaltensweisen lobt er, welche kritisiert er? Wir können es nur verstehen, wenn wir einbeziehen, zu wem und vor welchem Hintergrund er spricht.


Uns ist ein Schatz verlorengegangen, und oft höre ich, dass es zu anstrengend, zu intellektuell sei, sich in Tiefe mit den Evangelien zu beschäftigen.

Die Gleichnisse- sie werden mit Schlagworten versehen und als nette Geschichten für kleine Kinder in den Kindergottesdienst geschoben, wo sie meistens bleiben, als wären sie der Milchbrei- und Paulus das harte Brot. Aber die Worte, so die Jünger Jesu, die Jesus hatte- sie waren und sind die Worte des Lebens. Der Sohn offenbart uns den Vater, und ihm folgen wir nach.


Ich glaube, zutiefst nachdenklich, dass, sobald der Begründer der Religion in etwas verwaschenes, überinterpretiertes, seiner Ursprünglichkeit beraubten Ikone wird, wir alle Gefahr laufen, statt Jesus einer Fahne, einer Ideologie zu folgen. Mit allen Konsequenzen, die es nach sich zieht: Fanatismus, Ausgrenzung, Herrschaftsgefühlen, Stolz und Überheblichkeit, Auserwähltheit als menschliches Naturgesetz und nicht länger als unverdiente Gnade. Wir suchen in allen möglichen Quellen, ohne dass wir erkennen, dass uns das klare Bild fehlt. Und weil es im mittleren Osten liegt, wird zusätzlich noch argwöhnisch angenommen, dass das, was daher kommt, nichts Gutes sein kann, so wie "nichts Gutes aus Nazareth" kommen konnte. (Warum eigentlich nicht? Was hat es mit Nazareth auf sich?)


Wenn wir Jesus begreifen wollen, dann müssen wir uns eingestehen, dass sich vieles uns nicht erschließt, dass wir es aus einer Sichtweise interpretieren, die nicht ursprünglich ist- und wir müssen die Angst verlieren, dass Jesus weniger Gott wird, wenn wir seine Lebenswelt und historische Persönlichkeit mit einbeziehen.


Ich glaube, tief in unserem Inneren ist oft die Angst, dass wir Jesus verlieren, wenn wir ihn ausgraben, wenn wir ihn klarer sehen. Ich glaube, tief in uns ist ein Zweifel an seiner Realität, der uns quält. Es ist natürlich, dass es so ist. Es ist jener Zweifel, den der Hauptmann Jesus anbot, als er sagte: "Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben"- erweise dich als real.


Ist er real? Ist Jesus echt, oder ist er eine Hoffnung, die uns irgendwie trägt?


Vor ein paar Tagen lächelte ich schmerzlich. Ich hatte mir lange gewünscht, jemanden klar zu sehen, als die Persönlichkeit, die sie wirklich ist. In mir hatte ich eine Vermutung,ein Bild, entstanden aus nichts anderem als Fürbitte. Ich kenne sie nicht persönlich, habe aber ein paar wenige Male mit ihr geschrieben. Diese Bitte wurde erfüllt, auf andere Weise, als ich es erwartet hätte, und das Bild deckte sich 1:1 mit allem, was ich in Fürbitte für sie gesehen hatte. Wie ich sie empfunden habe. Sie war mir sofort vertraut und ich dachte: "Da bist du ja". Es war ungeschminkt, inoffiziell, privat, was ich sah. Sie gebrauchte Worte in einem Interview, das vor längerer Zeit aufgenommen wurde, die ich verblüfft nur mir zusprach: Sie sprach davon, dass wir in Jesus Liebe mariniert werden. Ich schrieb ihr kürzlich, dass Jesus sie marinieren möge in seiner Liebe wie Spareribs. Zufall? Ein sehr exotischer, wenn es so ist.


Ich traf mich vor einer Weile mit einer Freundin.

Sie erzählte mir von den Wegen, die sie mit Jesus erlebte. Die Art, wie er zu ihr spricht und von der Art, wie er überführt und zur Wahrheit zurückführt. Ich lachte, und sagte: "Es ist so typisch! Ja, das ist 1:1 wie ich ihn erlebe."


Jesus ist real und er offenbart sich uns durch den Heiligen Geist. Er gibt uns Werkzeuge an die Hand, Puzzleteile, die wir zusammensetzen und an die wir glauben- oder sie verwerfen.


Dass wir ihn nicht sehen, ändert nichts daran, dass er in seiner Persönlichkeit nicht heute so und morgen anders ist. Dass er mit jedem eigene Wege wählt, heißt nicht, dass sich seine grundsätzliche Art jemals ändert. Er in sich ist der große Ich bin. Unveränderlich. Und wenn wir ihm folgen wollen, dann müssen wir ihn erkennen. Denn in ihm erkennen wir uns- und in seiner Wirklichkeit liegt unsre Hoffnung.


Mögen wir Jesus studieren, nachfolgen, erkennen. Mögen wir nach ihm fragen. Denn alle Religion, und alle Weisheit, alle Erkenntnis und alles Regelwerk wird weichen, wenn er vor uns steht. Und die einzige Frage, die es dann gilt zu beantworten ist: "Liebst du mich?" Lieben, liebe Geschwister, können wir nur, wen wir kennen, an wen wir glauben, und lieben können wir nur denjenigen, der uns zwischen den Zeilen der eigenen Geschichte und des geschriebenen Wortes entgegentritt.


Mögen wir den Mut haben, ihm zu begegnen. Es lohnt sich. Es lohnt sich so sehr. Jesus Christus ist kein imaginärer unsichtbarer Freund für traurige Stunden. Jesus Christus ist realer Gott und König. Diese Wahrheit wieder zu begreifen, ist der Schlüssel zum Weg in ihm. Diese Wahrheit mutig auszusprechen und zu teilen, lässt ihn wirklich werden. Denn wäre er nur Illusion- dann würden sich die Erfahrungen, sein Humor, seine Wege und Ziele, seine Nähe und sein Wesen, seine Persönlichkeit widersprechen- weil wir alle unterschiedlich sind.


Seid gesegnet,

Sibylle/Zionstochter.



Quellen:

Die Bibel: Luther Übersetzung 2017, hier zitiert nach www.bibleserver.com

Eldredge, John (Hrsg): "Der ungezähmte Messias." Gerth Medien, 2018.

Dr. Kenneth E. Bailey (Hrsg): "Jesus war kein Europäer. Die Kultur des Nahen Ostens und die Lebenswelt der Evangelien". SCM Verlag, 2018.

Lobpreis: Gaither Vocal Band: You are my all in all/ Canon in D - Dur; Pachelbel.

Foto: Pixabay.


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