- sibyllezion
Lehre uns beten - das aufrichtige Gebet vor Gott 1/4

Meine lieben Freunde, liebe Frauen Gottes,
wenn es irgend etwas gibt, das allen Vorbildern und Helden der Bibel gemein war, dann war es, dass sie wussten, wie man betet.
Und vor allem- dass sie beteten, frei von der Leber weg, wie man sagen möchte.
Es ist erstaunlich, und ich weiß nicht, ob dir das bewusst ist, dass die Psalmen eine Sammlung von Lobpreisliedern sind.
Lobpreis? Irgendwie sträuben sich da die Nackenhaare von vielen:
"Herr, hacke meinen Feinden den Kopf ab! Wo ist sie denn, deine Gerechtigkeit? Den Ungerechten schenkst du alles, alles, doch wo bist du, wenn es um deine Gerechten geht? Ich sehe deine Hand nicht! Ich bin müde, meine Knochen schmerzen, und wo bist du? Schweig nicht länger, Herr! Zeig dich! Ich ringe mit dir, mit meinem Glauben- selbst meine Freunde haben sich von mir abgewendet und sie fallen mir in den Rücken!"
Das sind- nicht einmal sonderlich überspitzt- also Auszüge aus der biblischen Lobpreissammlung für den Herrn. Aber warum, warum bloß ist selbst ein solches Beschweren, ein solches verletztes Klagen, warum sind selbst rachedurstige Gedanken "ein Wohlgeruch des Lobpreises?"
Nun, ganz einfach:
Die Beter- sie geben ihr Herz, sie bluten ihr Herz aus vor dem Herrn, sie ringen, sie suchen Gemeinschaft, und dabei nehmen sie kein Blatt vor den Mund. Man kann Gott nur mit seinen Zweifeln begegnen, mit seinem Unverständnis, wenn man im tiefsten Inneren davon überzeugt ist, dass das, was man sieht und erlebt, seinem Wesen nicht entspricht noch entsprechen kann, und man daher über seine Abwesenheit - und nicht über seine Ungerechtigkeit oder Unberechenbarkeit klagt. In der Tat ist darin ein tieferes Gotteslob verborgen, als wir wahrnehmen mögen: "Herr, du bist so nicht, und das verwirrt mich, verärgert mich, du hast dein Gesicht verborgen! Deine Schönheit, Gerechtigkeit, deine Freude, deine Güte, deinen Segen. Ich ringe mit dir, dass du dich zeigst. Und ja, ich klage es an! Ich klage es an, dich nicht zu finden! Ich will dich sehen!" Und darüber hinaus: So dunkel die Gedanken und Ängste, die Tiefen oder vielleicht auch die Sünde in den Herzen dieser Menschen tobte: Wo suchen sie Hilfe? Bei anderen Menschen? Bei weltlichen Richtern? In Selbstjustiz? Nein, sie rennen dorthin, wo sie sich die Hilfe erhoffen: Sie rennen mit allem, ungefiltert, ehrlich und manchmal bis zur Schmerzgrenze selbstgerecht und stolz- zu Gott. Und...es ist ihm ein Wohlgeruch.
In einer Zeit, in der alles supidupi und vor allem positiv sein muss, ist für Klagen, Zweifel, Angst, inneres Ringen und das Gefühl, ungerecht beurteilt oder gar verurteilt zu sein, kein Platz. Für Sackgassen und innere Glaubenskämpfe ist kein angemessener Ort zu finden, so scheint es. "So darfst du nicht denken, das darfst du nicht mal aussprechen, wie kannst du nur so mit dem lieben, lieben Jesus reden?" Und so bleiben viele allein, die an der blankgewienerten Fassade des gesegneten Christseins abprallen: Die, die ihren Job verloren. Die, die den Tod ihres Kindes betrauern. Die, die nicht im Neubaugebiet, sondern in Sozialbauten leben. Die, die Unterstützung nie erfuhren, die, die ihr inneres Leid nicht mehr runterschlucken können, weil sie sonst ersticken.
Lehre uns beten.
Was wir gedanklich dabei übersehen, wofür man tatsächlich auch ein wenig "um die Ecke denken" muss, ist, dass Jesus sehr genau weiß, was wir wirklich denken. Jesus weiß, dass der Kuchen verbrannt ist, auch, wenn wir möglichst rosa gefärbten Zuckerguss drüberschmieren, bis es von außen nicht mehr zu sehen ist. Gott weiß ganz genau, dass dein Gebet nur pflichtbewusstes Geplänkel ist, wenn unter der Maske der Heiligkeit deine Zweifel, deine bittere Angst, deine Empörung, dein Zorn toben, und ja: Er hört auch dein: "Vielleicht ist es doch alles nur ein nettes Betäubungsprogramm für so unfähige und bedürftige Menschen wie mich, und am Ende alles nur Illusion."
Er sieht dich. Er kennt dich, und wie bei einem guten Freund, der dir alles mögliche erzählt, während du doch ganz genau die inneren Kämpfe siehst, die angespannten Schultern und das verkrampfte Lächeln, sitzt auch Jesus vor dir, und fragt sich, was in aller Welt du wohl damit bezweckst, ihm diese schöngefärbte Version deines Lebens zu präsentieren.
"Ich bin so froh, dass du mein Freund bist! ( Backgroundgrummeln: "Obwohl ich echt schon sagen muss, dass ich mir da mehr Unterstützung erhofft hätte") Ja, ersteres hört man gerne, und auch Jesus freut sich über dein ernst gemeintes Lob, deine Dankbarkeit, deine Freude an ihm. Aber im Hintergrund ...fragt er sich, warum, wenn du doch so dankbar für diese Freundschaft bist, du nicht endlich zu ihm kommst und ihm sagst, was wirklich Sache ist- warum du seine Freundschaft dann nicht beanspruchst und seinen Arm auch nimmst, der doch längst auf dich wartet.
Gebet- es ist Dialog mit Gott. Und alle, die uns in der Bibel als große Beter begegnen- ob Moses, David, Daniel, Jeremia oder der immer wieder inthronisierte Elia, der letztlich auch nur ein Prophet war, sie alle wussten das- und erwarteten, gingen selbstverständlich davon aus, dass Gott ihnen auch antworten würde.
Heute aber- wird Gebet häufig genutzt wie ein Anrufbeantworter oder eine Voicemail. Einbahnstraße. Ich hinterlasse meine Petition auf dem Anrufbeantworter, und weil ich nicht sicher sein kann, dass mich Gott auch zurückruft, sorge ich am besten selbst dafür, dass die Sachen dann auch laufen.
Einige mögen einwenden, dass man sich selbst nicht mit Elia, David oder Moses vergleichen dürfe. Das sei wirklich anmaßend!
Aber die Wahrheit ist, dass dies ein ziemlich schräger Gedanke ist.
Was diese Könige, Propheten, hingegebenen Gottesdiener nämlich so besonders machte, war, dass sie die Einladung Gottes annahmen, die Salbung, die er ihnen schenkte. Dass er sie rief, und ihnen den Heiligen Geist gab, den wenigen, deren Herz vollkommen ihm gehörte.
David war ein Nichts, weltlich unbedeutend. Er war der jüngste Sohn ohne Erbansprüche, der draußen vorm Dorf die Schafe hütete. Aber sein Herz, seine Sehnsucht, sein inneres Verlangen war nach dem Herrn. Er sang ihm Lieder, während er die Schafe hütete, er flötete vor sich hin und dachte dabei an ihn. Er war keine große Nummer, kein Superapostel noch Supererwählter, er war...Schäfer.
Und es ist wahr, dass in Alttestamentarischen Zeiten, und bis zum ersten Pfingsten eine direkte Verbindung mit Gott, der Dialog, der sagte: "Rufe zu mir, und ich will dir antworten" (Jeremia 33,3) auf wenige, auserwählte beschränkt war.
Doch wie wir in der Apostelgeschichte 2 lesen, sagt Petrus, dass die berühmte, häufig fälschlicherweise auf die " unbestimmte Endzeit" verschobene Geistausschüttung erfüllt ist. Jeder, jeder hat nun gleichberechtigten Zugang zu Gott, durch das Kreuz, durch den zerrissenen Vorhang vorm Allerheiligsten.
Das ist das große Geheimnis, die große Gnade der Gläubigen, die nicht auf die letzten Tage der "Endzeit" verschoben ist, sondern die mit der Geistausschüttung an Pfingsten vor inzwischen nahezu 2000 Jahren begann- übrigens war dies auch der Anbruch der letzten Tage, denn die Endzeit beginnt nicht irgendwann in ferner Zukunft, sondern begann mit Jesu Sieg am Kreuz und Auferstehung- Endzeit haben wir bereits seit sehr, sehr langer Zeit.
Da liegt also eine Quelle vor uns, eine wunderbare Einladung, vor Gott zu kommen, befreit von allen Türstehern und Kontrolleuren, Bevollmächtigten und Bestimmern, die es vordem gab. Jeder von uns kann und soll diese Intimität mit Gott suchen, jeder darf zu ihm kommen, ohne ihm zu schmeicheln oder seine Frömmigkeit zur Show zu stellen.
"Plappert nicht wie die Heiden"- wie plapperten die Heiden eigentlich?
Oh, sie taten das, was man heute vielleicht mit Einschleimen gleichsetzen würde, Stiefellecken und viele, leere Worte aneinanderreihen. Wenn Heiden sich mit einer Petition an den Kaiser wandten, dann begann ein Brief mit der Aufzählung aller seiner Ehrentitel, und das konnte schon mal 2 Seiten einnehmen:
"Oh hochwohlgeborener, edler, erhabener Fürst, geschätzter Herr aller sieben Weltmeere, der du von edlem Geblüt und unerreichter Weisheit bist, dessen Schritte geheiligt und dessen Worte wie süßer Tau vom Berge..." Ihr versteht schon.
Nein, so sollen wir nicht zu Gott kommen, um ihn zu unsren Gunsten zu beeinflussen.
Wir sollen ehrlich sein, unsre Rede sei Ja und Nein. Wir sollen bitten, flehen, an seine Tür trommeln, unsre Lasten an sein Kreuz werfen! Das Wort des werfens, das im Originaltext steht, heißt nicht: Vorsichtig prüfend, ob das nicht vielleicht unverschämt oder unangemessen ist, sondern tatsächlich mit voller Wucht entgegenschleudern. Wir sollen mit ihm ringen, ihm unser Herz und alles darin hinhalten - und wir dürfen darauf vertrauen, dass er es aushält. Dass er das hat, was in uns tobt, dass er es im Griff hat.
Wisst ihr, manchmal schreien Menschen, weil der Schmerz so groß ist. Manchmal werden Menschen zornig, weil die Entmutigung so groß ist. Manchmal tobt die Enttäuschung so sehr in einem, dass man kalt und abweisend wird, und manchmal ist der Schrei nach Vergeltung das Bluten der eigenen Seele, die weint.
Und so erleben wir es auch in den Psalmen: Sie zürnen, sie wüten, sie ringen, sie beschweren sich- und am Ende brechen sie zusammen, werden ruhig, und dann, erst dann sagen sie das, was wirklich in ihnen liegt. Und Gott hat Zeit für dich. Und er antwortet dir.
Vielleicht wartet er nur darauf, dass du endlich mal gegen seinen Brustkorb boxt, bis all das, was in dir die Dämme zusammenhält, bricht. Denn wenn du beginnst, zu weinen, dann erst kann er deine Fäuste öffnen, dich in den Arm nehmen, dich in die Wüste führen und sanft und freundlich mit dir reden. Und du wirst wundersam getröstet zurückkehren- und andere stärken, weil du ihn gesehen hast.
Deine Eintrittskarte zur persönlichen Beziehung mit Gott- es ist Gebet. Und vielleicht hilft es dir, zu wissen, dass nichts in dir zu unheilig, ungewollt und bestrafungswürdig ist, als dass du es nicht vor ihn bringen könntest.
Traue Gott zu, Spreu vom Weizen zu trennen. Du hast eine Notfallnummer, weißt du.
Und diese Nummer, sie steht in Jeremia 33,3:
"Rufe mich an, so will ich dir antworten und will dir kundtun große und unfassbare Dinge, von denen du nichts weißt."
Also: Wenn du von einem zum anderen rennst, um Antworten zu erhalten, versuchs mal bei ihm. Gott ist kein stummer Götze. Und Gott ist ein Gott, der dich sieht. Er hat versprochen, sich dir zu nahen, wenn du dich ihm nahst. Hab keine Angst, kleine Herde. Der, der dich gerufen hat, hat dich auch geschaffen. Und der, der dich geschaffen hat, sehnt sich nach deinem Herzen.
Über verschiedene biblische Gebetsstile und Erfahrungen geht es im nächsten Beitrag:
Denn David betete anders als Moses, und Moses anders als Jeremia.
Seid gesegnet.
Sibylle/Zionstochter
Quellen:
Die Bibel, insbesondere: Buch der Psalter, Apg 2, Joel.
C.S.Lewis: Das Gespräch mit Gott ( Reflection on psalms)
Foto: Pixabay
Worship: Your will be done, CityAlight.