- sibyllezion
Zwischen Gefäß und Gotteskind- über abenteuerliche Heimatlosigkeit.
Aktualisiert: 17. Sept. 2022

"Unser Brief seid ihr, eingeschrieben in unsere Herzen, erkannt und gelesen von allen Menschen; 3 von euch ist offenbar geworden, dass ihr ein Brief Christi seid, ausgefertigt von uns im Dienst[1], geschrieben nicht mit Tinte, sondern mit dem Geist des lebendigen Gottes, nicht auf steinerne Tafeln, sondern auf Tafeln, die fleischerne Herzen sind."
( 2.Korinther 3,2ff; rev. Elberfelder)
" Und ein Schriftgelehrter kam heran und sprach zu ihm: Lehrer, ich will dir nachfolgen, wohin du auch gehst. 20 Und Jesus spricht zu ihm: Die Füchse haben Höhlen und die Vögel des Himmels Nester, aber der Sohn des Menschen hat nicht, wo er das Haupt hinlegt. ( Mt 8,20,rev. Elberfelder)
"Dies habe ich mit euch geredet, damit ihr in mir Frieden habt. In der Welt habt ihr Angst; aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden.
(Joh 16,33, rev. Elberfelder)
So hat der HERR zu mir gesprochen: Geh und kaufe dir einen leinenen Hüftschurz und lege ihn um deine Hüften! Aber ins Wasser sollst du ihn nicht bringen. 2 Und ich kaufte den Hüftschurz nach dem Wort des HERRN und legte ihn um meine Hüften. (Jeremia 13,1ff, rev. Elberfelder)
Meine lieben Freunde,
zwischen Gefäss sein und Gotteskindschaft.
zwischen Gehorsam und dem Wunsch, in eigenen Bedürfnissen gesehen zu sein.
zwischen dieser Welt und der Zukünftigen.
zwischen Korrektur und Annahme.
zwischen Auftrag und Liebe.
Mit Jesus zu gehen bedeutet, heimatlos zu sein- in Zwischenräumen zu leben.
"Ein Wanderer auf Erden" sind wir- aufgerufen, Wärme und Geborgenheit, Schärfe und Würze gleichermaßen zu sein.
Heimatlos- im Grunde gilt das erst einmal für alle Menschen, nicht wahr? Wir können uns noch so gemütlich auf dieser Welt einrichten: Wenn wir mit Tod, Krankheit, Veränderung konfrontiert werden, wird uns nur allzuschnell bewusst,dass morgen alles anders, vorbei sein kann. Dass plötzlich der Weg abbricht, der so sicher wirkte, und wir fassungslos in den Abgrund starren,der plötzlich vor uns liegt.
Eine liebe Freundin schrieb mir kürzlich den Satz:
"Der Einzige, an dem ich mich festhalte, ist Jesus." Sie war in den letzten Jahren konfrontiert mit dem Verlust von gleich mehreren engen Freunden, wird selbst älter, und mit ihr der Mann, den sie über alles liebt. Es ist eine weise Entscheidung, die sie getroffen hat. Und doch birgt sie auch eine Gefahr: Die Gefahr, dass wir ablehnen, enge Bindungen einzugehen, die doch wieder enden werden, weil wir uns unsrer Heimatlosigkeit auf Erden nur allzu bewusst sind. Dort, wo das Wissen um Vergänglichkeit in ein Verschieben von Nähe, von realem Leben auf die Ewigkeit mündet, laufen wir Gefahr, uns zu isolieren.
Was wir vermeiden wollen, ist Schmerz, der uns so tief trifft, dass er uns existentiell bedroht.
Wer wirklich liebt, der empfindet den anderen als einen natürlichen Teil seines Lebens. Wenn man sich nahe kommt, freut man sich mit dem anderen, weint mit dem anderen, empfindet den Schmerz des anderen wie den eigenen. Also bleiben wir auf Distanz, wissend, dass solche echten "Seelenbande" schon David unmenschlich leiden ließen, als Jonathan starb.
Die Endlichkeit unsres Lebens, das nicht festhalten- können von Augenblicken, von denen wir sagen wollen: "Augenblick verweile, du bist so schön!" (Goethes "Faust")- es erweckt in uns eine Sehnsucht, doch endlich diese Heimatlosigkeit beenden zu können. Seien wir doch ehrlich: Mit all den miserablen Konditionen, Schwierigkeiten, täglichen Kämpfen- das Leben ist und bleibt trotzdem schön. Es zu verlieren, sich zu verlieren erscheint wie ein Wahnsinn, dem wir uns kaum stellen können. Ja, wir als Christen glauben daran, dass Jesus den Tod überwunden hat- dass er nur eine Passage ist. Trotzdem hat diese Passage etwas grauenvolles an sich.
Ich habe vor einer Weile in einem Buch von John Eldredge ( Waking the dead) ein Kapitel gelesen, in dem er genau diese Passage beschreibt. Nun, eigentlich beschreibt er eine Situation, in der er mit seiner Familie auf einer Urlaubsreise in eine dermaßen brenzlige Situation geraten ist, dass er Todesangst hatte.
Aber was die zweite, allegorische Botschaft dahinter betrifft, sie ist atemberaubend:
Sie waren in Lebensgefahr, das Wetter war umgeschlagen, und sie saßen in einem kleinen Flugzeug, das gefährlich ins Schlingern geriet. John sagt, er hatte nahezu abgeschlossen. "So wird es also passieren, so sterbe ich". Er glaubte nicht mehr daran, dem Zerschellen des Flugzeuges entkommen zu können. Und ja, er hatte Angst. Doch mit einem Mal durchbrachen sie diese Situation und wurden mit einem atemberaubenden Anblick belohnt, einer Landschaft, unberührt, perfekt, vollkommen. Alles, sagt John Eldredge, was der Situation vorausgegangen war, wurde durch diesen Anblick versöhnt, geheilt, weggewischt.
Ich glaube, dass wir Christen in dieser Hoffnung leben sollten. Immer, in jeder Situation. Ich glaube fest daran, dass Dunkelheit dem Licht immer weichen wird. Das ist die Hoffnung, die Paulus als die Freude und Hoffnung beschreibt, die ihn sogar Schiffbruch und Verfolgung ertragen ließ. "Die Dunkelheit ist besiegt. Der Tod ist besiegt. Das ist nicht das Ende. Jesus ist Leben."
Es liegt im menschlichen Wesen, zu streben. Wir haben alle Pläne, Träume, den Drang, uns selbst zu verwirklichen, etwas zu hinterlassen an Spuren, etwas von Wert, etwas, wovon andere noch zehren werden, wenn wir vielleicht nicht mehr sind. Doch ein zweites Streben haben wir auch: Möglichst komfortabel diesen Weg zu bestreiten, ohne Schmerz, Angst, Leid, gut versorgt und in warme Decken gehüllt. Wir streben in all dieser Unsicherheit nach Unversehrtheit und Wohlergehen.
Der Punkt ist, dass der wahre Weg mit Gott immer ein persönliches Risiko ist.
Und nein, komfortabel und sicher wird er niemals sein. Gott schreibt Geschichten voller Abenteuer und Kehrtwenden, voller Entbehrung und Sehnsucht. Ja, noch mehr: Er erzählt sie niemals vollständig. Er enthüllt gerade so viel, wie wir erlaubt sind, zu wissen, und er liebt es, uns mit nichts als Sandalen an den Füßen auf große Wanderungen zu schicken. Das luxuriöse Wohnmobil, der all inklusive Urlaub- aus solchen Begebenheiten werden keine großen Geschichten geschrieben.
Man kann sich anschauen, wen man will: Ob Moses, Elijah, Noah, Gideon, Jeremia, Jesaja, König David oder auch später Paulus: Egal, wen Gott auserwählte- er nutzte ihn für höhere Pläne, und seine Anweisungen waren oft weder logisch und leicht zu ertragen:
Stell dir einfach vor, dass plötzlich, nach einem etablierten, wohlhabenden Leben mit Status und Sicherheit ein Busch vor deiner Nase beginnt zu brennen. Du wirst herausgerissen aus allem, was du geplant hast, und du weißt, du weißt einfach, es ist Gott. Sich ihm entgegenzustellen ist keine gute Idee- das weißt du auch. Also bist du gehorsam. Aber verstehen- tust du es nicht. Moses fühlte sich viel zu unbedeutend, viel zu unfähig für einen solchen Auftrag, den er bekam.
Stell dir vor, du bekommst den unsinnigen Auftrag, einen Lendenschurz zu kaufen, ihn nicht zu waschen, bis er vor Dreck nur so strotzt und ihn dann in einen Felsenritz zu stecken, wie Jeremiah. Stell dir vor, wie dein Umfeld darauf reagiert. "Der Spinner wieder!" ist die natürliche Reaktion derer, die sich eingerichtet haben in ihrem Leben. Stell dir vor, du musst es aushalten. Nein, entspannt ist das nicht.
Stell dir vor, wie Noah sich gefühlt haben muss. Eine Arche bauend. Mitten auf dem trockenen Land, "Weil Gott ihm das gesagt hat". Vollkommen durchgeknallt. Mit Verlaub. Er hatte nichts, nichts weiter als ein Wort von Gott, er solle das tun. Und seine Nachbarn: Nun, die werden sich einen getrunken haben und gedacht haben, dieser Idiot habe den Verstand verloren.
Stell dir vor, wie es für Abraham war. Erst eine Prophetie über ein Kind in einem biblischen Alter. Sara, die das für so derart ausgeschlossen hält, dass sie lieber Haggai, ihre Magd anbietet, als es auch nur in Erwägung zu ziehen, es könnte tatsächlich passieren. Dann geschieht das wirklich, was El Shaddai höchstpersönlich sagte, als er vor ihm stand. Und dann...soll er Isaak opfern. Und mit ihm alle Versprechungen.
Was wir oft überlesen ist, wie es den "Helden" dieser Geschichten damit ging.
Oh, ich glaube, sie fühlten sich ausgeliefert. Sie fühlten sich getrieben. Sie fühlten sich wie ein Gefäss, zu einer Mission verdammt, die viel zu groß war, um sie in ihrer Komplexität zu erfassen. Und ja, das lesen wir auch: Jeremia klagt, es sei besser für ihn gewesen, nie geboren worden zu sein. Noah betrinkt sich erst einmal gnadenlos, sobald er das sichere Ufer erreicht, was zeigt, wie sehr er unter Anspannung stand. Amos- kämpft mit Gott und sagt, er habe weder die Qualifikation noch die Gabe, Prophet zu sein, er sei Bauer, nichts anderes.
Niemals hat Gott einen von ihnen aus der Geschichte gelassen. Immer war der Beginn eine kuriose Berufung. Niemand ist da hineingewachsen oder vorher "geistlich gereift". Nein, es war die Verfügbarkeit und die Gehorsamkeit, die Menschen in das Abenteuer mit Gott involvierten.
Ist man also wirklich nur Gefäß, das mit bruchstückhaftem Wissen ausgestattet wird, wenn man, wie meine Freundin sagte: "sich nur an Jesus festhält"? Quasi ein Umschlag, der einen Brief enthält? Ein Gefäß, das nur den Heiligen Geist transportiert? Ist man jemand, an dessen Botschaft andere sich bedienen können wie an einem Decanter, gefüllt mit Wein?
Nein, und wenn es so wäre, wäre es bitter, missbräuchlich, verängstigend. Nein, wir werden zur Botschaft. So wie Moses zum Sinnbild eines Führers wurde, eines Mann des Glaubens. So wie Noah zum Sinnbild des Gehorsams wurde. So wie Elia zum Sinnbild des Gebets wurde. Und für alle hat Gott gesorgt. Ihre kleinen und großen Sünden zugedeckt, ihre Hingabe reich belohnt.
Die Helden, von denen ich spreche, lebten alle im alten Bund. Sie mussten ihr Gesicht aufgrund ihrer Sündhaftigkeit vor Gott verdecken, selbst Eliah verhüllte sein Gesicht. Sie waren in der Tat Diener, Sklaven ihres Herrn. Seine Auserwählten.
Paulus aber sagt später:
"Wir alle aber schauen mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn an[5] und werden ⟨so⟩ verwandelt in dasselbe Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie ⟨es⟩ vom Herrn, dem Geist⟨, geschieht⟩." (2. Korinther 3,18, Elberfelder)
Das ist der Unterschied, auf den wir uns berufen dürfen. Das ist der neue Bund: Dem Gehorsam, dem Folgen, dem Ausharren, dem Dienen und Gefäss sein ist die Gotteskindschaft hinzugefügt worden.
Doch die Gotteskindschaft wird Gottes Wege nicht verändern. Sie ist nicht alleiniges Ziel noch ist es der Gehorsam. Es ist das Versprechen, dass, wenn wir uns entscheiden, Gottes Rufen zu folgen, wir heimatlos, planlos, für verrückt erklärt hinter ihm herlaufen. Seine Pläne nicht in Gänze verstehen. Nass werden. Frieren. Ausdauernd sein müssen. Von der Welt verlacht sind. Aber das hinter all dem unermessliche Liebe auf uns wartet, die Hoffnung auf eine atemberaubende Landschaft nach einer kurzen Phase der Todesangst und Erschöpfung, und dass wir in all dem, was wir für ihn tun, mehr sind als ein Umschlag mit einer Botschaft drin: Wir sind erwählt, seine Priesterschaft, seine Kinder. Wir sind versorgt und werden geliebt.
Zu lernen, beides zu kombinieren, ist gar nicht so leicht. Und einer der Schritte ist es, wieder zu lernen, uns gegenseitig als wertgeschätzte Kinder Gottes zu sehen, uns nicht aneinander zu bedienen und dort, wo jemand gehorsam ist, nicht davon auszugehen, dass er nur als Gefäß dient noch verrückt ist, weil Gehorsam ausgestorben ist mit dem alten Bund. Diejenigen, die sich der Liebe versichern, des Durchhaltens, jene, die sich Geborgenheit schenken, unsre Verbündeten auf diesem heimatlosen Weg- sind wir.
Wisst ihr, tiefe Freundschaften und Verbundenheit, das Zulassen von echter Nähe- wir leben in Aussicht auf eine vollkommen wiederhergestellte Welt. Wir wissen, dass die, die wir verlieren als Christen, nach einem kurzen Moment der Todesangst vor einer atemberaubenden Landschaft standen und dort auf uns warten. Und so mögen wir kurze Zeit trauern, aber wissen, dass wir sie wiedersehen werden. Für die Ewigkeit. Je mehr wir sie geliebt haben, je mehr wir sie vermisst haben, desto mehr wird die Freude uns übermannen.
Ziehen wir uns also nicht voneinander zurück, entziehen wir uns nicht gegenseitig Nähe, Liebe, Ermutigung und Verbundenheit, weil Jesus der einzige ist, an dem wir uns festhalten können, sondern suchen wir Nähe, eben WEIL Jesus das Ziel unsres ganzen Sehnens ist.
Suchen wir echte Begegnung, seien wir neugierig aufeinander und gewähren wir uns Ermutigung, Liebe und Treue, weil für uns ein endgültiges Ende niemals eintreffen wird. Gehen wir das Risiko ein, uns wirklich zu lieben- denn ja: Wir können verlieren. Ja, wir werden weinen. Ja, jemanden zu vermissen ist die Hölle. Aber wir werden alles verlorene eines Tages zusammen nachholen.
Ermutigen wir uns also, diesen verrückten Einladungen Folge zu leisten: Den Einladungen, einen Lendenschurz zu kaufen. Dem Versprechen zu folgen, das Gott gegeben hat. Die Berufung zu leben, zu der wir aufgefordert wurden. Die Orte aufzusuchen, die Gott gewählt hat. Und bitten wir um Zeichen, um Bestätigung auf diesen langen, unsicheren Wegen. Denn Gott hat immer Zeichen gegeben, die bestätigten, was er sagte. Und das bekannteste war: "Und dies sei euch das Zeichen: Ihr werdet ein Kind finden, in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegend (...)"( Lk 2,12 Elberfelder). Die Zeichen, die er gibt, sind unübersehbar. Real, in unsrer Welt nachvollziehbar. Gott ist gut. Folgen wir also seinem Ruf, wohin auch immer er uns führt- über Berge, durch Täler, auf die andere Seite der Welt.
Wisst ihr ...Wanderer, die Gott auf eine Mission schickt- sie brauchen Gastgeber, jemanden, der sie ausstattet, jemand, der ihnen ein Dach über dem Kopf gewährt und mit ihnen Karten studiert. Wanderer haben kein Wohnmobil. Wenn also jemand vor eurer Tür steht, triefendnass, macht ihm doch einen Kaffee. Reicht ihm ein Handtuch, kocht ihm ein Essen. Woran ihr erkennt, dass es ein Wanderer Gottes und kein Spion noch Nomade ist? Oh, ganz einfach: Was er euch bringen wird, in Wort und Tat, es ist ein "Shalom!" "Frieden eurem Haus!" Er wird segnen, beten, heilen, Händeauflegen. Es ist einfach, Freund von Feind zu unterscheiden.
Danach... wird er gestärkt weiterwandern oder verweilen. Aber lasst ihn niemals vor der Türe stehen und frieren. Denn der Segen des Shaloms soll auf euch bleiben.
Gott hat weder sich noch seine Wege verändert- sondern er hat durch Jesus nur weggewischt, was zwischen uns und ihm stand. Bist du bereit, für ihn zu gehen? Dann entscheide dich für leichtes Gepäck, denn der Weg ist weit, unsicher und voller Gefahren. Unser Gott jedoch ...ist größer.
In Liebe,
Sibylle
Quellen:
Die Bibel, Elberfelder Übersetzung. Weitere Bibelbezüge: 2. Kor 11,16 ff, Lk 9, Lk 10,5, 1.Mose 37, 2.Mose 3, 1 ff, u.a. Bibelstellen hier zitiert nach www.bibleserver.com
John Eldredge (Hrsg): "Waking the dead. The secret to a heart fully alive, Expanded edition, Nelson Books 2003, here:2016. " Chapter One: "Arm yourselves", Page 3 ff.
Johann Wolfgang von Goethe: Faust. Der Tragödie erster Teil.
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